Gemeinde am Münsterlandplatz
Nachdem die Verhandlungen mit dem MfS aufgrund der für die Kirche unannehmbaren Standortvorschläge zum Stilltand gekommen waren, wurde eines Tages unvermittelt ein günstig gelegenes Grundstück im Stadtteil Lichtenberg angeboten. [1]
Bei dem angebotenen Grundstück handelte es sich um 5 Flurstücke am Münsterlandplatz, auf denen sich damals eine Kleingartenanlage befand. 4 Flurstücke mit ca. 3.900 m2 gingen in das Eigentum der Kirche, ein weiteres Flurstück mit ca. 1.000 m2 wurde an die Kirche verpachtet.
Beim Freiräumen des Gartenlandes wurden auch Soldaten der NVA eingesetzt. Die Kleingärtner erhielten eine finanzielle Entschädigung und bei Interesse Ersatzland in Neuenhagen bei Berlin.

Baureifmachung April 1977
Der Bau wurde 1977/1978 nach den Plänen des Architektenteams von Erhardt Gißke und unter Leitung des Suhler Bauleiters Günter Hirsch errichtet.
Das Gebäude wurde vom Spezialhochbau Berlin, einem volkseigenem, dem MfS nachgeordneter Betrieb, errichtet.
Bei dem Gebäude handelt es sich um den größten Kirchenbau der Neuapostolischen Kirche in den neuen Bundesländern. [1]

Januar 1978: Beginn des Hochbaus

Januar 1978: Sicht von der zukünftigen Hofseite, im Vordergrund das bereits errichtete Trafohaus.
Das Trafohaus diente später zur eigenen Stromversorgung, insbesondere für die leistungsstarke elektrische Fußbodenheizung.

Fortschritt des Hallenbaus im April 1978

Zukünftiger Eingangsbereich im Mai 1978.

Die Grundsteinlegung erfolgte am 18.07.1978.

Innenausbau im Oktober 1978.

Oktober 1978: Baustellenbesichtigung mit Stammapostel Streckeisen, rechts Bezirksapostel Pusch
Der damals größte Verhandlungserfolg zwischen der neuapostolischen Kirchenleitung und der DDR war die „freiwillige“ Abgabe des Kirchenlokals in der Normannenstraße und der dafür errichtete Kirchenneubau in der Münsterlandstraße 50, mit rund 1.200 Plätzen in weitaus komfortableren Ausmaßen. Maßgeblich beteiligt beim Bau war das Wachregiment Felix Dzierzynski.
Es war eine schwere Geburt, bis die ersten Bauarbeiter anrücken konnten und Projektbegleiter könnten sicher ein Buch schreiben, wie auch dicke Akten bei der BStU belegen.
Wie man einem Brief von Bezirksapostel Pusch an den Stammapostel vom 27. November 1978 entnehmen kann, machte die DDR-Staatsführung nachhaltig geltend, dass der Kirche im Vergleich zur alten Bausubstanz ein Wertzuwachs von rund 8 Mio. Mark zuflösse.
Deinem Rat zufolge, habe ich entgegenkommender Weise verhandelt und auf der anderen Seite sehr verständnisvolle Partner gefunden. Ohne jede einzelnen Posten gegeneinander aufzurechnen, wurde vereinbart, dass die Neuapostolische Kirche Berlin nach Abschluss aller Bauarbeiten die Summe von 2 Mio. Mark bezahlt und dafür ein völlig neu erstelltes und völlig neuausgestattetes Objekt erhält. Ich bin sehr froh darüber, dass nicht ins Detail gegangen wurde, denn bei den einzelnen Punkten hätte es sicherlich Meinungsverschiedenheiten gegeben,… [3]

28. Januar 1979: Feierlicher Einweihungsgottesdienst mit Bezirksapostel Pusch
Keinesfalls wurde die Kirche schlüsselfertig übergeben, wie die Chroniknotizen aufzeigen: Da zum Zeitpunkt des Advents- und Weihnachtslieder-Schulchorsingens am 18. Dezember 1978 der Innenausbau noch lange nicht abgeschlossen war, ergab sich die Notwendigkeit zu umfangreichen Reinigungsarbeiten, die von einer Vielzahl von Gemeindemitgliedern größtenteils an den Wochenenden durchgeführt wurden. Für den Gemeindevorsteher und etlichen enge Mitarbeiter erstreckten sich die Arbeiten bis in die Nächte hinein. [3]

April 1979: Besichtigung durch Stammapostel Urwyler (links) und Bezirksapostel Pusch (rechts), hier im Außenbereich.
Weiterhin waren etliche Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen. Insbesondere betraf es die Beräumung des Gehweges Münsterlandstraße, die Beleuchtung des Eingangsbereiches zur Kirche, die Fertigstellung des Garagenbaus und die immer dringlicher werdende Abdichtung der Fallrohre am Kirchengebäude. Es gibt Dokumente, die belegen, dass Bezirksapostel Pusch sehr bestimmt auftreten musste:
Im Rahmen der Begegnungen zum 30. Jahrestag unseres Staates findet am Dienstag, dem 2. Oktober 1979 eine Begegnung mit dem Herrn Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, und eine Besichtigung des neuen Kirchenkomplexes statt. Sie werden sich denken können, dass es mir ein wenig, aber dann für Sie, das Ministerium und alle damit verbundenen Dienststellen, außerordentlich peinlich wäre, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die oben angeführten 4 Punkte nicht einwandfrei durchgezogen sind. Ich erwarte von Ihnen einen direkten und persönlichen Einsatz und Veranlassung seitens des Ministeriums der Bauleitung Sonderbauvorhaben gegenüber. [3]

November 1979: Der fertiggestellte Hallenbau aus Betonfertigteilen.

November 1979: Eingangsbereich am Münsterlandplatz
Der Haupteingang befand sich auf der straßenabgewandten Seite des Gebäudekomplexes. Das Kirchenschiff war rund 40 Meter lang und hatte eine Grundfläche von 1.150 m². Orgelkammer, Sakristei und verschiedene Nebenräume vervollständigten die Räumlichkeiten.
Zum Gebäudekomplex gehörten ein hofseitiges Garagengebäude und der vorgelagerte Baukörper am Münsterlandplatz, in dem Sanitäreinrichtungen, Garderobe und ein Chorübungsraum untergebracht waren. Ein freistehendes Wohnhaus in der Wönnichstraße schloss das Ensemble ab. [2]

November 1979: Straßenfront in der Wönnichstraße, im Vordergrund das Wohnhaus mit 4 Wohnungen.

November 1979: Sicht vom Hof auf das Wohnhaus, links Südgiebel vom Langhaus mit Eingang zur Sakristei, im rechten Gebäude befanden sich Garagen und im Obergeschoss Büros.

1979: Der Kirchensaal
Bezirksapostel Pusch berichtete am 03. Oktober 1979 dem Stammapostel wie folgt:
Gegen 14:45 Uhr fuhren wir alle sowie der Herr Staatssekretär und ein Begleiter (Dr. der Philosophie) zu unserer Kirche. Ein Rundgang beeindruckte den Herrn Staatssekretär sehr. Wie immer sind alle Erwartungen übertroffen. Der Staatssekretär meinte, dass nach der Katholischen St. Hedwigskathedrale dies wohl die modernste Kirche Berlins wäre. Wir hatten noch zu einer Begrüßung in den Vorraum der Sakristei gebeten und bei einem Glas Sekt, Kaffee und Petitfours die ganze Begegnung in unserem Hause ausklingen lassen… [3]
Quellen
[1] Andreas Vöhringer: Bilder aus der Vergangenheit - 150Jahre Neuapostolische Kirche, S. 137
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Neuapostolische_Kirche_(Berlin-Lichtenberg)
[3] Günter Törner: Neuapostolische Kirche in der DDR - Dem Evangelium leben in einem sozialistischen Staat, S. 108ff