Münsterlandplatz I

Gemeinde am Münsterlandplatz

 


Bereits seit Beginn der 1970er Jahre gab es Bestrebungen seitens des Ministeriums für Staatssicherheit, die eigenen Liegenschaften zu vergrößern. Die daraus resultierende Inanspruchnahme von bebauten Grundstücken betraf neben denkmalgeschützten Wohnhäusern auch die Neuapostolische Gemeinde Berlin- Lichtenberg in der Normannenstraße 19/20.


Die Verhandlungen über einen Grundstückstausch zogen sich über Jahre hin. Anfangs versuchten die Behörden, die Kirche aus dem Stadtbezirk zu verdrängen, indem sie abgelegene Grundstücke am Stadtrand zum Tausch anboten. Nachdem die Verhandlungen aufgrund der für die Kirche unannehmbaren Standortvorschläge zum Stillstand gekommen waren, wurde eines Tages unvermittelt ein günstig gelegenes Grundstück im Stadtteil Lichtenberg angeboten. [1]


Hierbei handelte es sich um 5 Flurstücke am Münsterlandplatz, auf denen sich damals eine Kleingartenanlage befand. 4 Flurstücke mit ca. 3.900 m2 gingen in das Eigentum der Kirche über, ein weiteres Flurstück mit ca. 1.000 m2 wurde an die Kirche verpachtet.

Beim Freiräumen des Gartenlandes wurden auch Soldaten der NVA eingesetzt. Die Kleingärtner erhielten eine finanzielle Entschädigung und bei Interesse Ersatzland in Neuenhagen bei Berlin.


Der Bau wurde 1977/1978 nach den Plänen des Architektenteams von Erhardt Gißke und unter Leitung des Suhler Bauleiters Günter Hirsch errichtet. [2]


Januar 1978: Beginn des Hochbaus



Januar 1978: Sicht von der zukünftigen Hofseite, im Vordergrund das bereits errichtete Trafohaus.

Das Trafohaus diente später zur eigenen Stromversorgung, insbesondere für die leistungsstarke elektrische Fußbodenheizung.



Anfang 1978: Baustellenbesichtigung mit Stammapostel Streckeisen, rechts Bezirksapostel Pusch

Der damals größte Verhandlungserfolg zwischen der neuapostolischen Kirchenleitung und der DDR war die „freiwillige“ Abgabe des Kirchenlokals in der Normannenstraße und der dafür errichtete Kirchenneubau in der Münsterlandstraße 50, mit rund 1.200 Plätzen in weitaus komfortableren Ausmaßen. Maßgeblich beteiligt beim Bau war das Wachregiment Felix Dzierzynski.

Es war eine schwere Geburt, bis die ersten Bauarbeiter anrücken konnten und Projektbegleiter könnten sicher ein Buch schreiben, wie auch dicke Akten bei der BStU belegen.

Wie man einem Brief von Bezirksapostel Pusch an den Stammapostel vom 27. November 1978 entnehmen kann, machte die DDR-Staatsführung nachhaltig geltend, dass der Kirche im Vergleich zur alten Bausubstanz ein Wertzuwachs von rund 8 Mio. Mark zuflösse.


Deinem Rat zufolge, habe ich entgegenkommender Weise verhandelt und auf der anderen Seite sehr verständnisvolle Partner gefunden. Ohne jede einzelnen Posten gegeneinander aufzurechnen, wurde vereinbart, dass die Neuapostolische Kirche Berlin nach Abschluss aller Bauarbeiten die Summe von 2 Mio. Mark bezahlt und dafür ein völlig neu erstelltes und völlig neuausgestattetes Objekt erhält. Ich bin sehr froh darüber, dass nicht ins Detail gegangen wurde, denn bei den einzelnen Punkten hätte es sicherlich Meinungsverschiedenheiten gegeben,…  [3]


28. Januar 1979: Feierlicher Einweihungsgottesdienst mit Bezirksapostel Pusch


Keinesfalls wurde die Kirche schlüsselfertig übergeben, wie die Chroniknotizen aufzeigen: Da zum Zeitpunkt des Advents- und Weihnachtslieder-Schulchorsingens am 18. Dezember 1978 der Innenausbau noch lange nicht abgeschlossen war, ergab sich die Notwendigkeit zu umfangreichen Reinigungsarbeiten, die von einer Vielzahl von Gemeindemitgliedern größtenteils an den Wochenenden durchgeführt wurden. Für den Gemeindevorsteher und etlichen enge Mitarbeiter erstreckten sich die Arbeiten bis in die Nächte hinein. [3]



April 1979: Besichtigung durch Stammapostel Urwyler (links) und Bezirksapostel Pusch (rechts), hier im Außenbereich.


Weiterhin waren etliche Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen. Insbesondere betraf es die Beräumung des Gehweges Münsterlandstraße, die Beleuchtung des Eingangsbereiches zur Kirche, die Fertigstellung des Garagenbaus und die immer dringlicher werdende Abdichtung der Fallrohre am Kirchengebäude. Es gibt Dokumente, die belegen, dass Bezirksapostel Pusch sehr bestimmt auftreten musste:

Im Rahmen der Begegnungen zum 30. Jahrestag unseres Staates findet am Dienstag, dem 2. Oktober 1979 eine Begegnung mit dem Herrn Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, und eine Besichtigung des neuen Kirchenkomplexes statt. Sie werden sich denken können, dass es mir ein wenig, aber dann für Sie, das Ministerium und alle damit verbundenen Dienststellen, außerordentlich peinlich wäre, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die oben angeführten 4 Punkte nicht einwandfrei durchgezogen sind. Ich erwarte von Ihnen einen direkten und persönlichen Einsatz und Veranlassung seitens des Ministeriums der Bauleitung Sonderbauvorhaben gegenüber. [3]


November 1979: Der fertiggestellte Hallenbau mit Betonfertigteilen.



November 1979: Eingangsbereich am Münsterlandplatz


Der Haupteingang befand sich auf der straßenabgewandten Seite des Gebäudekomplexes. Das Kirchenschiff war rund 40 Meter lang und hatte eine Grundfläche von 1.150 m². Orgelkammer, Sakristei und verschiedene Nebenräume vervollständigten die Räumlichkeiten.


Zum Gebäudekomplex gehörten ein hofseitiges Garagengebäude und der vorgelagerte Baukörper am Münsterlandplatz, in dem Sanitäreinrichtungen, Garderobe und ein Chorübungsraum untergebracht waren. Ein freistehendes Wohnhaus in der Wönnichstraße schloss das Ensemble ab. [2]


November 1979: Straßenfront in der Wönnichstraße, im Vordergrund das Wohnhaus mit 4 Wohnungen.



November 1979: Sicht vom Hof auf das Wohnhaus, links Südgiebel vom Langhaus mit Eingang zur Sakristei, im rechten Gebäude befanden sich Garagen und im Obergeschoss Büros.



1979: Der Kirchensaal


Bezirksapostel Pusch berichtete am 03. Oktober 1979 dem Stammapostel wie folgt:

Gegen 14:45 Uhr fuhren wir alle sowie der Herr Staatssekretär und ein Begleiter (Dr. der Philosophie) zu unserer Kirche. Ein Rundgang beeindruckte den Herrn Staatssekretär sehr. Wie immer sind alle Erwartungen übertroffen. Der Staatssekretär meinte, dass nach der Katholischen St. Hedwigskathedrale dies wohl die modernste Kirche Berlins wäre. Wir hatten noch zu einer Begrüßung in den Vorraum der Sakristei gebeten und bei einem Glas Sekt, Kaffee und Petitfours die ganze Begegnung in unserem Hause ausklingen lassen… [3]


April 1979: Gottesdienst mit Stammapostel, die Orgel ist noch nicht fertiggestellt.


Am 08. September 1984 fand eine Bezirksapostelkonferenz in Berlin statt.

Dazu waren alle aktiven 21 Bezirksapostel sowie Bezirksapostel Tiedt i.R. eingeladen.


Festgottesdienst am 09. September 1984


Quellen

[1] Andreas Vöhringer: Bilder aus der Vergangenheit - 150Jahre Neuapostolische Kirche, S. 137

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Neuapostolische_Kirche_(Berlin-Lichtenberg)

[3] Günter Törner: Neuapostolische Kirche in der DDR - Dem Evangelium leben in einem sozialistischen Staat, S. 108ff


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